Mysterium Paschale


Mysterien der Passion – nach dem Weg zum Kreuz der Karsamstag, die Zeit zwischen Grablegung und Auferstehung.

passio und compassio sind Stichworte der Stunden am Ölberg vor dem Gang zum Kreuz und dem Gang zu den Toten. "Je stärker die Liebe ist, desto schmerzlicher sind die Wunden des Mit-Leidens." Im Tod, im Leidens- und Todesweg Gottes als Mensch ist der physische Tod vom geistigen Tod der von der Mißachtung ihres königlich stellvertretenden Einsatzes für die verlorene Gemeinschaft her entwürdigten Person unabtrennbar (vgl. Mysterium Salutis 3.2, S.233).

Von welcher Art diese "Entwaffung der Gegenmacht" zum Göttlichen auf diesem Weg bis ans Ende ist, auf dem kein Eigenes mehr gesucht wird, keine eigene Ehre (Joh 8,50), kein Eigenes von Wunsch und Wille mehr ein Streben leitet, sondern die Entmachtung durchlitten und kein Kampf, kein Krieg mehr ausgetragen wird zwischen guten und bösen Mächten, das klärt sich von der Verkündigung an die Toten her auf, aus der Solidarität mit dem entwürdigend Erlittenen aller, dem "Tragen der Weltsünde" wie das Johannesevangelium es nennt, und des Einbindens der Gerechtigkeit dieses entwaffneten Richters über Lebende und Tode in die von ihm in Stellvertretung aller getragene Sühne des Werks der Erlösung.

Aus dessen Gedächtnis und zu dessen Gedenken bestimmt sich die Nachfolge, in der das Unwiederholbare, das Einzige jener Gottesidentität im Menschlichen geschichtlich gewahrt und eine Entsprechung allein mit der Sammlung der zerstreuten Glieder findet: für das Andenken und die Gedächtnisgemeinschaft des wiederbelebenden Geistes – das Seinkönnen als Personen in personaler Achtungsgemeinschaft aus dem Glauben an das Unverlorene der Gottesachtung und Gottesliebe ermöglichend.

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Die Entmachtung zu durchleiden ist der Weg mit den Toten. Es ist kein Weg, den ein Mensch gehen kann. Einzig und einmalig der Gott als Mensch, der nicht ich bin und doch für alle, für jeden als Person in der vereinigten Gottheit und vereinigten Menschheit steht, deren Telos die Geschichte führt, aber als Ziel dem Karsamstagabend entschwunden ist, wie der abhanden gekommene Gott. Geschichte von der Heilsgeschichte her als Umkehr der Zerstreung, die Verfehlung war der Wahrung von Einheit. Geschichte ist Weg, der erst entsteht, in dem man ihn geht.

Wir wahren die Unterscheidung im Gedächtnis jenes Gangs, der unsere Wegführung in der Nachfolge begründet, geistgesandt.

Entscheidend für den Sohnesgehorsam, der die Nachfolgeweisung begründet, ist es, dass der Wille des Vaters keine Willkür ist, sondern sich als ursprünglicher Bestimmungsgrund in der Bindung durch die Hingabe zu erkennen gibt. Die Passion des Sohne ist wesentlich Passion des Vaters im Geist – und nur so ist die Wesensgleichheit (den Häresien entgegen) zu wahren.

Damit geht die Gotteserkenntnis in Wahrnehmung der Nachfolge (als Vernunftpflicht der wegweisenden Urteilskraft … im Gemeinsinn) notwendig nicht nur mit der Überwindung von (partikularem, streitverursachendem) Eigenwillen (der privatio, der aneigenden Beraubung) einher, sondern vollzieht den Widerstand zur Willkür mit – und das ist nur möglich, wenn im Glaubensbewußtsein eine begriffliche Kritik einsichtsbildend und orientierungsgebend mitgeleistet wird an den voluntaristischen Auffasssungen der „absoluten Bestimmungsmacht“ im Gotteshandeln (vgl. auch die Regensburger Rede von Benedikt XVI.).

Erfordert ist als theologische Pflicht die „intelligierende“ Durchdringung des Glaubensgedächtnisses (gemäß dem Anselmischen „fides quaerens intellectum“); Not tut Kritik am unreflektierten Gebrauch von Freiheit als souveräne Entscheidungs- oder Verfügungsmacht1, die nicht ursprünglich (je schon) gebunden scheint an Güte, Gerechtigkeit, Wahrheit, Schönheit und Weisheit der Gotteswürde.

Begrifflich ist darum in der Glaubensannahme für die Bewahrung des mit Überzeugungskraft tradierbaren Glaubensbewußtseins die Freiheit selbst (als sie selbst, d.i. als Idee) als ursprünglich mit Vernunft und Pflicht zu Gerechtigkeit und Güte und allen weiteren Wesensbestimmung göttlicher Identität und Maßgrund (von Schöpfung und Verkündigung, Gericht und Erlösung) vereint aufzuweisen – durch Vernunft und Achtung (der Vermögen des Personseinkönnens) ermöglicht, in einem Bedingungszusammenhang, der nicht eingeschränkt, sondern befreit, also unter keiner Alternative zu denken steht einer (in sich absurden) Entscheidungssituation in präexistentem Zustand (oder wo und wann immer) – sondern im ewigen Willen Gottes zur Rettung, die bereits die Schöpfung (in ihrer maßgebenden Grundlegung) leitet.



Die Passion zu durchleiden hat etwas mit der Bereitung zu tun – als Ermöglichung ohne Zweck, ganz aus Gehorsam zum ursprünglichen Bestimmungsgrund - , in eins Richter zu sein über Lebende und Tode – und ihr Retter.



1Ein Problem der Autoren von Myterium Salutis, von dem sich auf Balthasar nicht zu befreien vermag.